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Krise als Chance: „Wir müssen bei Unternehmerbild und Technologieoffenheit anfangen!“

Unternehmer

Kristian Schalter hat die Zukunft der deutschen Wirtschaft im Blick. Als Abteilungsleiter „Strategie und Zukunft der Arbeit“ bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) beschäftigt sich sein Team mit Zukunftsfragen und führt die fachliche Expertise aus verschiedenen Abteilungen des Spitzenverbandes zusammen. Das Ziel: Die Arbeitgeber*innen sollen sich konstruktiv in die politische Debatte einbringen können. Mit Lara Polster, Projektleiterin beim Zukunftszentrum Süd vom Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft (bbw), sprach Kristian Schalter über Chancen der aktuellen Wirtschaftskrise, unternehmerische Verantwortung und ein neues, technologieoffenes Mindset.

Lara Polster (LP): Die aktuelle Wirtschaftssituation verlangt Unternehmen viel ab. Steigende Energie- und Rohstoffpreise und unterbrochene Lieferketten haben tiefgreifende Konsequenzen. Diese Krise schließt direkt an die Corona-Pandemie an, die den Unternehmen schon viel abverlangt hat. Wie schätzen Sie die derzeitige Lage für Unternehmen in Deutschland ein?

Kristian Schalter (KS): Die Lage ist für viele Unternehmen sehr problematisch – teils existenziell. Die gestiegenen Energie- und Rohstoffkosten können nicht einfach an die Kunden weitergegeben werden. Zudem sind der Fachkräftemangel und hohe Krankenstände überall spürbar. Die aktuelle Krise trifft die Länder weltweit nicht gleichermaßen. Das ist ein Unterschied zur Corona-Pandemie.  Es trifft insbesondere einige Industriestaaten in Europa – allen voran Deutschland. Das hat Konsequenzen für unsere Wettbewerbssituation. Hier ist gerade einiges ins Rutschen geraten. Die Gefahr der dauerhaften Abwanderung von industrieller Produktion – und damit auch von Arbeitsplätzen – ist real.

Lara Polster und Kristian Schalter

Lara Polster und Kristian Schalter

LP: Wirtschaftliche Herausforderungen und Umwälzungen sind nicht neu. Inwiefern sehen Sie einen Unterschied zu früheren Veränderungen?

KS: Strukturwandel und industrielle Revolutionen sind nicht neu, das ist richtig. Unternehmen müssen damit zurechtkommen. Neue Marktlagen und Veränderungen sind Teil des unternehmerischen Alltags. Neu ist, dass mehrere tiefgreifende Veränderungen gleichzeitig und mit einer hohen Geschwindigkeit stattfinden. Die Unternehmen in der Automobilindustrie müssen zum Beispiel die Umstellung auf klimaneutrale Antriebe bewältigen – gleichzeitig zur Digitalisierung von Prozessen und Arbeitswelt. Und all das passiert in einem Umfeld eines wachsenden Fachkräftemangels. Da kommt vieles zusammen.

LP: Jede Krise bietet auch Chancen. Welche Potenziale sehen Sie in diesem Wandlungsprozess?

KS: Wenn wir den Strukturwandel gut bewältigen, können wir unsere Wirtschaft stärken und mit neuen Geschäftsmodellen, Produkten und Dienstleistungen eine neue Wettbewerbsfähigkeit erlangen. Aber das ist kein Selbstläufer. Strukturwandel ist Teamwork. Unternehmen, Politik und Sozialpartner müssen sich mit ihren Stärken einbringen. Wichtig ist, dass die Unternehmen in diesem Anpassungsprozess Freiräume haben. Wer denkt, man könne den Strukturwandel staatlich steuern, der irrt.

LP: Stichwort politisches Handeln: Bei welchen Themen hat die Politik schon richtige Schritte gemacht?

KS: Beim Zuwanderungsrecht: Es ist liberaler und offener geworden. Das ist auch dringend notwendig. Wenn man auf die Zahlen schaut, braucht Deutschland jährlich eine Zuwanderung von 400.000 Menschen. Und zwar netto, weil gleichzeitig viele Menschen Deutschland verlassen. In manchen Bereichen findet heute keine Wertschöpfung statt – nicht, weil es nicht rentabel ist, sondern weil schlicht die Leute fehlen. Verwaltungsverfahren im Zuwanderungsrecht sollten weiter vereinfacht und digitalisiert werden. Zudem müssen wir als Gesellschaft noch offener werden und eine Willkommenskultur auch leben. Deutschland ist als Zuwanderungsland für Fach- und Arbeitskräfte immer noch attraktiv, aber nicht so attraktiv, wie wir uns das vorstellen. Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem wir aktiv um diese Fachkräfte werben müssen.

LP: Ohne Visionen, keine Umsetzung. Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

KS: Dass wir eine lebendige, dynamische soziale Marktwirtschaft bleiben und Unternehmen Freiräume haben, neue Technologien zu entwickeln und einzuführen. Ich wünsche mir, dass wir eine Gesellschaft werden, in der Unternehmertum stärker anerkannt und respektiert wird. Und ich wünsche mir, dass junge Menschen Spaß am Gründen haben und dabei Unterstützung finden.

LP: Welche ersten Schritte können helfen, diese Visionen zum Leben zu erwecken?

KS: Wir sollten das Unternehmerbild, wie wir es über die Medien aufnehmen, überdenken. Wenn zum Beispiel am Sonntagabend beim Tatort am häufigsten der Unternehmer der Täter ist – und das ist statistisch leider erhoben –, dann prägen wir ein Bild, das so nicht stimmt. Interessanterweise haben die Menschen ein hohes Vertrauen in den eigenen Arbeitgeber. Das Ansehen „der Wirtschaft“ ist jedoch ein schlechtes. Das passt nicht zusammen.

LP: Letzte Frage – Was ist Ihr Herzensthema, das Sie in Ihrer Arbeit antreibt?

KS: Wie können wir in Deutschland ein anderes Mindset hinbekommen – technologieoffener, neugieriger, optimistischer werden? Viel zu oft sehen wir in Deutschland das Glas halb leer statt halb voll. Wir sehen mehr die Risiken als die Chancen und neigen dazu, dass überreguliert und politisch gesteuert wird. Besser wäre es, Vertrauen in die Kraft und Kreativität der Menschen zu haben.

LP: Herr Schalter, vielen Dank für das Gespräch.


Über die Autorin:

Zzs Beraterin Lara Polster

Lara Polster ist Projektleiterin beim Zukunftszentrum Süd vom Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft (bbw).

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